Aktualisiert am 29.7.2022
Man könnte ein ganzes „Wörterbuch der unmenschlichen Planersprache“ zusammenstellen. Hier nur einige wenige Beispiele:
Ausgleichsflächen: Das klingt zunächst so einleuchtend wie harmlos. In Wirklichkeit ist es ein Greenwashing grober und gröbster Zerstörungen mit einer Art ökologischem Persilschein. Die Ausgleichsflächen werden oft gar nicht erst angelegt oder sind in einem dürftigen Zustand, wie der LBV im Dezember 2020 und im Sommer 2021 untersucht hat.
Vgl.: Ausgleichsflächen
Austausch der Bevölkerung: Der Planungsausschuss des Münchner Stadtrats wollte im Januar 2019 das Erhaltungssatzungsgebiet „Hohenzollernstraße und Hohenzollernplatz“ neu zuschneiden: Ein Gebiet sollte hinzukommen, 3300 Wohnungen dagegen aus dem Schutz herausfallen. Die Begründung: Hier seien schon viele Wohnungen modernisiert worden mit inzwischen hohen Mieten: Damit sei ein „Austausch der Bevölkerung“ eingetreten.1
Bauliche Entwicklung: “Der Konflikt, der in der Abwägung zwischen der Empfehlung, hier den schützenswerten Grünraum zu erweitern oder aufgrund der Erschließungsgunst einen Entwicklungsbereich festzusetzen, wurde zu Gunsten der baulichen Entwicklung entschieden.”2
Flächenkulisse Biodiversität: „Mit der ‚Flächenkulisse Biodiversität‘ sollen die Räume definiert werden, die für den Erhalt der Biodiversität in München unverzichtbar sind. Dies sind insbesondere Flächen, die nicht oder nur über sehr lange Zeiträume wiederherstellbar sind sowie Flächen mit einem unwiederbringlichem Artenvorkommen.34
Das Behördendeutsch klingt zunächst sehr beruhigend. Dabei geht in München durch Überbauung und Versiegelung jeden Tag unwiederbringlich wertvolle Artenvielfalt verloren.
Immobilienentwickler: Entwickeln hat einen positiven Impetus. Dabei macht ein Immobilienentwickler meist auf Kosten von Natur und altem Bestand etwas Neues, das sich für ein Vielfaches des Preises verkaufen lässt. Vom Abriss zum Überbauen für viel Geld. Immobilienentwickler sind alltagserprobt im Überwältigen beim Kauf, im Gegensatz zu den Immobilienverkäufern. Erstere werden letztere in jedem Fall über den Tisch ziehen.
Investorenarchitektur: kurzfristige Bauleit- und Bedarfsplanung, die sich ausschließlich am schnellen Gewinn orientiert. Im Gegensatz dazu: “Architects for Future fordert Bund, Länder und Kommunen, Planende und Auftraggebende auf, elementar umzudenken: Es ist nicht mehr das schicke Neubau-Investorenprojekt, sondern die smarte, flexible und wertschätzende Sanierung, die zum angestrebten, attraktiven Planungsprojekt wird.”5
Überplanen: Das ist ein gängiger Fachbegriff aus der Stadtplanung und der Welt des Bauens. Dabei ist es auch ein Begriff aus dem Wörterbuch des urbanen Unmenschen. Was kann sich nicht alles hinter diese scheinbar neutralen Begriff verstecken: Abriss von Gebäuden, Schleifen von Denkmälern, Zerstörung von Gärten, Bebauung von landwirtschaftlichem Grund, Enteignung, …
STEP 2040. Der Blick auf das Jahr 2040 „Perspektive München – Entwurf des Stadtentwicklungsplans STEP 2040“ reiht einige Beispiele für Planersprache aneinander.
„München – Stadt im Gleichgewicht“.
Das behauptet zumindest das Referat für Stadtplanung und Bauordnung. Dabei gibt es wohl keine Stadt in Deutschland, die dermaßen im Ungleichgewicht ist.
Grüne EDV-Satzbausteine.
München setzt laut Planungsreferat angeblich auf „grüne und vernetzte Freiräume“, auf eine „klimaneutrale Mobilität“, auf „starke Wohnquartiere und eine zukunftsfähige Stadtentwicklung“, „klimaangepasste Landschafts- und Siedlungsräume“, „klimaneutrale Quartiere und erneuerbare Energien“ und „partnerschaftliche Entwicklung der Stadtregion“. (S. 8ff)
Diese grünen Schlagworte sind angesichts der realen Entwicklung pures Greenwashing.
„Die wichtigsten Strategien der Klimaanpassung sind der Erhalt guter und die Verbesserung ungünstiger bioklimatischer Situationen. Wesentlich dabei sind Maßnahmen zur Reduzierung von Hitzebelastung…“ (S. 10)
Hier geriert sich das Planungsreferat als angeblicher Klima-Retter. Gleichzeitig wird das Stadtgebiet von allen Seiten zugebaut: 2000 Hektar sind bis 2035 in Planung.
„Auch soll gegenüber der Stadtgesellschaft und der Fachöffentlichkeit eine neue Transparenz geschaffen werden. Den Kern dafür soll ein Monitoring- und Informationssystem bilden.“ (S. 15)
Hier ist oft nur eine digitale Transparenz gemeint. In Wirklichkeit laufen viele Prozesse völlig leise und im Hintergrund ab, siehe die geplante Bebauung des Grüngürtels der Städtischen Baumschule oder die Planungen an der Erdbeerwiese, die nur durch Zufall herauskamen.
„Automatisierung und Datengenerierung: Durch die intelligente Kombination und Verarbeitung vorhandener Daten werden neue Informationen gewonnen und Planungsentscheidungen können besser vorbereitet werden. Nur durch automatisierte Modelle und Prozesse kann dies mit vertretbarem Aufwand gelingen.“ (S. 15)
Gerne verwendet die Planersprache inhaltsleere EDV-Satzbausteine. Daten generieren Informationen, die zu automatisierten Modellen führen, die zu noch mehr Daten führen … ((Alle Zitate: https://risi.muenchen.de/risi/dokument/v/6664723))
- Draxel, Ellen, Hoben, Anna, Schleichende Verdrängung, in SZ 17.1.2019 [↩]
- Schreiber, Detlev, Hochhausstudie Leitlinien zu Raumstruktur und Stadtbild, Fortschreibung Hochhausstudie on 1977, München 1995, S. 98 [↩]
- https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Stadtplanung-und-Bauordnung/Natur-Landschafts-Baumschutz/Biodiversitaet.html [↩]
- Anlauf, Thomas, Effern, Heiner, Baumschutz gegen Wohnungsbau, in SZ 1.7.2021 [↩]
- Broermann, Elisabeth, Der Bausektor ist der größte Klimakiller, in: Bauen von Morgen, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Bonn 2021, S. 104 [↩]