Zur Geschichte der Siedlung
1918 Gründung der „Gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH“ (der späteren GWG).
1937 bis 1939: Bau der Siedlung mit acht Blocks und je zweieinhalb Geschossen beidseits der Milbertshofener Straße mit 565 Wohnungen durch die GWG. Zum Teil sind die Wohnungen nur 40 qm groß. Zu jeder Wohnung gehört ein Garten.
1939 bis 1973: „Die Siedlung mit ihren Gärten ist Heimat für viele Hundert Münchner Arbeiterfamilien, zum Teil über zwei Generationen.“
1973: 1. Bebauungsplanentwurf mit Flächensanierung für 991 Wohnungen: wird abgelehnt.
1975: Der Stadtrat genehmigt die 3. Vorlage des Bebauungsplans mit Abriss der Vorkriegsbauten und eine viergeschossige Neubebauung.
Ab 1976: Sukzessives Umsetzen der Mieter, Abriss und Neubauten.
Ab 1979: Die Leerstände werden durch Studenten und Lehrlinge belegt.
1985: Der überwiegende Teil der GWG-Siedlung ist abgerissen. Die verbleibenden Bewohner des Altbestandes gründen den BOBS e. V.
März 1985: Stadträte, Mitglieder des BA, Wohnbund, Werkbund, Münchner Forum und Personen des öffentlichen Lebens sagen Unterstützung zu.
((Aus: Eine Zusammenfassung der BOBS-Aktivitäten, ca. 1986. Vgl. auch: http://protest-muenchen.sub-bavaria.de/artikel/2610; http://protest-muenchen.sub-bavaria.de/artikel/2646))
Zur Chrononologie:
März 1985: Angst vor Vertreibung. Die städtische Wohnungsgesellschaft GWG möchte die Siedlung abreißen und neu bauen. Die Bewohner schlossen sich zur BOBS zusammen. Sprecher Christian Böhm verwies auf den Quadratmeterpreis von 3 DM, auf den alten Baumbestand und die dichte Vegetation, die für den Münchner Norden einen großen ökologischen Wert habe. Das Sozialgefüge in der Siedlung sei intakt. Bei bisherigen Sanierungsarbeiten verdreifachten sich die Mieten in den Neubauten, die derzeit bei 3 DM liegen. Die Vorschläge von BOBS: bestehende Gebäude erhalten und in Selbsthilfe renovieren, Wärmedämm-Maßnahmen durchführen, Bäder und ein umweltschonendes Heizsystem einbauen, Neubauten als Randbebauung der Siedlung durchführen.
Podiumsdiskussion ohne GWG. Am 18.4.1985 veranstaltete BOBS eine Podiumsdiskussion mit Architekten und Parteienvertretern. Die GWG-Geschäftsführung äußerte: „Wir sehen uns nicht veranlasst, an dieser Diskussion teilzunehmen.“ GWG-Geschäftsführer Otto Haberstock erklärte, dass am seit 1975 begonnenen Sanierungskonzept festgehalten werde.1
Material von der BOBS. Am 5.5.1986 hat mir Christoph Kaufmann von der BOBS Materialien zur BOBS zugeschickt:
1) Das Papier „Neue Wege der Stadterneuerung. Ein Konzept für den Erhalt der Siedlung an der Bad-Soden./Osterodestraße in München“ (Kurzfassung des Gutachtens, Hrsg. WohnBund, Münchner Forum, Werkbund; Bearbeiter: Planungsgruppe 504, Christian Herde, Dierk Brandt)). Zum Inhalt: Die gewachsene Umgebung fördert Nachbarschaft und Kommunikation, die Nutzgärten ermöglichen Selbstversorgung und produktive Freizeitgestaltung. Vorgeschlagen wird eine zeitgemäße Sanierung mit geringstmöglichem Aufwand. Das Erhaltungskonzept stellt „ein Modell mit Leitbildcharakter für den Bereich preiswerten Wohnungsbestandes dar. Bewohnerbeteiligung und Selbsthilfe sind tragende Bestandteile des Konzepts.“
Aktuell leben in der Siedlung 229 Personen in 160 Haushalten. Nur fünf Prozent leben inzwischen schon länger hier. 90 Prozent sind zufrieden mit den Wohnverhältnissen. Eine hohe Eigenleistung liegt vor: 42 Prozent haben Duschen oder Bäder eingebaut. Über 80 Prozent würden der Gründung einer Genossenschaft zustimmen.
Das Erhaltungskonzept: Die aktuelle Gesamtnutzfläche beträgt 7354 qm. Durch den Ausbau der Trockenspeicher und Neubauten kann eine zusätzliche Nutzfläche von 3455 qm geschaffen werden; dies ergibt eine Gesamtnutzfläche von 10.809 qm. Bei der Flächensanierung nach Bebauungsplan (mit Totalabriss) entstehen 12.446 qm Wohnfläche. Der eigene Gartenanteil mit durchschnittlich 52 qm wird beibehalten. Der Sanierungsbedarf insgesamt ist beträchtlich, die Grundsubstanz intakt. Bei den untersuchten Häusern Bad-Soden-Straße 14 und 16 würden für Instandsetzung (37 Prozent) und Modernisierung (63 Prozent) die Kosten pro Quadratmeter Wohnfläche bei netto 816 DM liegen, die Gesamtkosten für die Siedlung mit Ausbau der Trockenspeicher liegen bei 8.228.713 DM, 54.500 DM pro Wohnung. „Die von uns berechneten Sanierungskosten machen ca. 50 Prozent vergleichbarer Neubaukosten aus.“ Allerdings ist hier auch der Anteil Selbsthilfe enthalten.
Organisation: Als Träger wäre eine „Bewohner-Genossenschaft“ möglich, die Bindungen wie im sozialen Wohnbau eingeht, um öffentliche Mittel bekommen zu können. Hier könnte das städtische Modernisierungsprogramm in Anspruch genommen werden. Die Stadt München könnte auf Erbpachtbasis einer „Nutzer GmbH“ das Grundstück überlassen.
2) Eine Zusammenfassung der Aktivitäten von BOBS e. V.: Bei Gründung des Vereins im Januar 1985 gab es 28 Mitglieder; im Mai 1985 waren es schon 90. Das Areal gehört zum Sanierungsgebiet „Sanierung Wohnanlage Milbertshofen“. Von der Flächensanierung noch nicht betroffen sind sieben Häuserblocks südlich und ein Häuserblock nördlich der Milbertshofenerstraße.
Es gibt Nachbarschaftsbetreuung, Kinderbetreuung, Hilfe für ältere Mieter, gegenseitige handwerkliche Unterstützung. Eine Befragung von 23 Haushalten der Neubausiedlung Langensalzastraße ergab: Die Zentralheizung und sanitäre Ausstattung werden als positiv, die Isolation der Mietparteien, die mangelnde Kinderfreundlichkeit und die starke Reglementierung des Wohnens werden als negativ beurteilt. Die Altsiedlung „ist keine anonyme Wohnstätte, sondern bietet Platz für vielfältige Lebensäußerungen.“ Sie bietet preiswerten Wohnraum, ein intaktes Sozialgefüge und eine einmalige Verbindung von Wohnraum und wohnungsnahem Freiraum durch die Mietergärten. „Die innerhalb dieses Zeitraums gewachsene Vielfalt an Bäumen, Büschen und Pflanzen, die darüber hinaus einer Vielzahl von Vögeln Raum bietet, stellt nicht zuletzt in ökologischer Hinsicht eine wichtige Bereicherung des ansonsten mit vielen belastenden Einrichtungen versehenen Münchner Nordens dar. Neu können derart differenzierte Grünbereiche gar nicht geschaffen werden; dazu bedarf es einer jahrzehntelangen Entwicklung.“ (In der neu errichteten Siedlung der GWG steht heute weitgehend ökologisch wertloses Durchschnittsgrün.)
Es folgt eine Aufzählung der notwendigen Renovierungsarbeiten des Bestandes. Auch die Aufwertung der Gaststätte und eine Wiederbelebung der am „Dorfplatz“ befindlichen Läden würde die Infrastruktur verbessern. „Der Verein BOBS setzt sich deshalb dafür ein, dass die weitere Flächensanierung gestoppt wird, die Siedlung in der Osterode-/Bad-Soden-Straße nicht wie geplant abgerissen wird und stattdessen zusammen mit den Bewohnern neue Planungsansätze entwickelt werden. Die Siedlung in der Osterode-/Bad-Soden-Straße könnte damit ein Musterbeispiel für behutsame Bestandssanierung in München werden.“