Oktober 2016: Die vier Münchner Märkte (Viktualienmarkt, Elisabethmarkt, Pasinger Viktualienmarkt und Markt am Wiener Platz) müssen wegen EU-Vorschriften und Brandschutzauflagen saniert werden. Im Fall Elisabethmarkt bedeutet dies Totalabriss der Marktstände mit kompletter Tiefgarage, in die Lagerräume integriert werden. Laut Kommunalreferent Axel Markwardt seien die Pläne „liebevoll austariert“. Die Händler selbst hielten sich mit Meinungsäußerungen eher zurück, verwiesen aber auf Schwierigkeiten mit der derzeitigen Lagerung der Waren. Eine Bürgerinitiative Pro Elisabethmarkt sammelte schon 13.000 Unterschriften für den Erhalt des Marktes in seiner bisherigen Form. Die Marktstände am Wiener Platz sollten ursprünglich auch abgerissen und neu gebaut werden: Seit Frühsommer 2016 ist klar, dass sie saniert werden.1
Nachher schöner wie vorher? Die BI Pro Elisabethmarkt sieht die Stadtsparkasse München als Zerstörerin des alten Elisabethmarktes: Sie will auf dem Areal des alten Umspannwerkes ein riesiges Gebäude zwischen Nordend- und Arcisstraße errichten. Da durch den gewaltigen Neubau achteinhalb Meter des alten Marktgeländes für die Feuerwehrzufahrt gebraucht werden. Kommunalreferent Axel Markwardt (SPD) sprach von einer „Win-win-Situation“: Die zu sanierenden Hütten würden erneuert und dringend benötigter Wohnraum würde geschaffen. Zum Verweis der BI auf den Markt am Wiener Platz, wo die Stände saniert und nicht abgerissen würden, entgegneten Stadträte, dass dort kein echter Lebensmittelhandel, sondern vorwiegend Gastronomie betrieben würde. Die Stadtsparkasse will 200 bezahlbare Wohnungen auf dem ehemaligen Stadtwerke-Areal bauen; damit steht die Sanierung des Elisabethmarktes auf Platz eins der vier Märkte: Sie soll Ende 2018 oder Anfang 2019 beginnen. Die Feuerwehrzufahrt sei laut Cornelius Mager von der LBK nur für den Notfall gedacht. Für den Markt soll künftig über die Tiefgarage des Neubaus der Stadtsparkasse angeliefert werden: Dort könnte auch Kühlraum installiert werden.2
Dezember 2016: Das für die Marktgestaltung zuständige von Bogevischs Buero errechnete 400 zusätzliche Quadratmeter Fläche für den neuen Elisabethmarkt. Ein Nebenprodukt: Die Einfahrt für das neue Wohngebäude der Stadtsparkasse München würde auf dem Gelände des Marktes liegen. Die BI Pro Elisabethmarkt kritisierte, dass diese Zufahrt eigentlich auf dem Areal des Geländes der Stadtsparkasse liegen müsste. Anfang 2017 will der Stadtrat über die Pläne entscheiden. Die künftigen Kosten für die Betreiber der Marktstände sind derzeit nicht bekannt: Sie sollen höher sein als bisher, aber keine Maximalgrenzen erreichen, so ein Sprecher des Kommunalreferats.3
Infoveranstaltung 9.3.2017. Die Aula des Gisela-Gymnasiums (das ich neun Jahre bis zum Abitur besucht habe), war mit 250 Besuchern voll; vier Stunden wurde diskutiert. Drei Streitpunkte gab es: den geplanten Abriss und Neubau des Marktes, den als „monströs“ kritisierten Neubau der Stadtsparkasse (ein allerdings massiver Riegel mit EG plus 5 Etagen, wie man der Simulation entnehmen kann) und die Forderung, eine Erweiterung für das Gisela-Gymnasium zu finden. Die Stadtverwaltung verteidigte (natürlich) ihr Projekt. Zum kritisierten 8,5 Meter breiten zweiten Rettungsweg erklärte die Branddirektion, ohne ihn könne nicht gebaut werden. Eine 14-köpfige Jury (mit zwei Vertretern der Stadtsparkasse) habe die Pläne für das Gebäude goutiert. Stadtplaner Ulrich Schaaf vom Planungsreferat wies auf den Stadtrat, der die Dimension beschlossen habe: „Und wir können im Moment gar nicht genug Wohnungen bekommen, deshalb ist das Gebäude auch so groß.“ Hubertus von Medinger, der die Petition zum Erhalt des Elisabethmarktes (mit 23.000 Unterschriften) initiiert hat, rechnete anders: Eine Feuerwehrzufahrt auf dem Gelände der Stadtsparkasse würde diese 24 Millionen Euro kosten. Die Planung von Bogevischs Büro sieht die alten 22 Einzelstände in künftig neun Bauten vor. Als jemand fragte, warum nie eine Sanierung des Marktes geprüft wurde, antwortete ein Architekt bezeichnenderweise, weil fünf oder sechs Marktstände der Feuerwehranfahrtszone (für das Gebäude der Stadtsparkasse!) im Weg gestanden wären.4
April 2017: Neubau. Die als alternativlos angebotene Maximallösung wurde am 5.4.2017 vom Stadtrat angenommen. Auch die CSU war nun dafür. Stadträtin (und spätere Nachfolgerin von Kommunalreferent Markwardt) Kristina Frank erklärte das Einverständnis der CSU. Die Marktstände werden also 2019 abgerissen; Ersatzstände sollen provisorisch an der Arcisstraße platziert werden. Der neue Elisabethmarkt soll im Herbst 2021 fertig sein.5
BA kritisiert Entwurf der Stadtsparkasse. Der BA 4 Schwabing-West hat das neue, riesige Gebäude südlich des Elisabethmarktes schwer kritisiert. (Der Entwurf ist vom Berliner Büro Bruno Fioretti Marquez Architekten.) Die Sprecherin der Grünen, Regina Bruder, nannte es ein „Monstrum, das den Markt erdrückt“. Brigitte Gmelin (SPD) kritisierte das „scheußliche Bauwerk“; es würde den Elisabethplatz ruinieren. FDP-Sprecher Moritz Ostwald sprach von „Affront und Katastrophe“, diesen „Riegel an der empfindlichsten Stelle Westschwabings hinzuklotzen“. Der BA-Vorsitzende Walter Klein (SPD) stellte die Frage an seine BA-Kollegen, ob jemand diese Planung gefalle. Das Schweigen und Kopfschütteln führte zu Kleins Verdikt, die Planung sei gegen den Bürgerwillen und werde von den BA-Mitgliedern abgelehnt. Gefordert wird vom Stadtteilgremium eine veränderte Kubatur und eine bessere Fassaden-Gliederung. BA-Vorsitzender Klein zufolge will die Stadtsparkasse ihren Entwurf „rigoros“ durchziehen: Der Erörterungstermin ist schon für Herbst 2017 geplant.6
Charme und Flair… Der scheidende Kommunalreferent Axel Markwardt versicherte, dass Charme und Flair des Elisabethmarktes erhalten bleiben, Die bisherigen 18 Parkplätze auf der Südseite werden in die Tiefgarage integriert. Die Stadtsparkasse hat noch kein Planungsrecht für den zweiteiligen Gebäudekomplex mit 170 Wohnungen zwischen Nordend- und Arcisstraße.7
Februar 2018: Rechtsstreit. Drei Anwälte haben nun beantragt, die Markthäuschen und Nebengebäude des Elisabethmarktes als Baudenkmal eintragen zu lassen. Dieser sei prägend für Schwabing und „dringend erhaltenswert“. Hinzu käme eine „Interessenverfilzung“: Die LH München genehmige Abriss und Neubau, sei aber gleichzeitig Trägerin der Stadtsparkasse München, welche das südliche Grundstück bebaut: Dies sei ohne Abriss des Marktes nicht möglich. Für die Ausweisung als Denkmal ist das Landesamt für Denkmalpflege zuständig, seitens der Stadt die Untere Denkmalschutzbehörde.8
Der Abriss. 19.000 Unterschriften für den Erhalt des alten Elisabethmarktes haben nichts gefruchtet. Im Sommer kamen die Baumaschinen, im Oktober 2020 waren sämtliche Marktstände des Elisabethmarktes und das im Süden angrenzende Betriebsgebäude der SWM abgerissen worden: ohne Lärm- und Staubschutzwand. Im benachbarten Gisela-Gymnasium kann nicht mehr gelüftet werden: Dies ist aber gemäß UBA-Vorschrift alle 20 Minuten wegen der Corona-Pandemie nötig. Der Anwalt Julian Brune, der Vater eines Schülers ist, wirft den Bauherren, also der SWM und den Markthallen München, vor, die Kosten für Schutzmaßnahmen einsparen zu wollen. In einem Schreiben an die Stadt forderte er die Einstellung der Bauarbeiten, da wegen des Baulärms die Fenster des Gisela-Gymnasiums nicht mehr geöffnet werden könnten und das angeordnete Lüften damit nicht mehr möglich sei.9
Der Interimsmarkt. Die dreijährige Neubauphase soll nun bis 2023 dauern. Der Interimsmarkt soll auf der 800 Quadratmeter großen Wiese platziert werden. Statt des 15-Kibikmeter großen Presscontainers gibt es einige 1100 Liter große Müllbehälter, die mehrmals wöchentlich geleert werden müssten.10
Stadt und Stadtsparkasse mauern. Anfang November trafen sich Boris Schwartz, der Leiter der Markthallen München, die Projektleiterin der LH München für den Elisabethplatz, Livia Andreas, ein Mitglied des Elternbeirats und Anwalt Brune, der mit einer Klage drohte, dem aber seitens der Stadt mehrfach versichert wurde, eine mehrstöckige Lärmschutzwand für rund 300.000 Euro werde errichtet. Bis Anfang Dezember 2020 war aber nichts dergleichen geschehen. Das Lüften in Corona-Zeiten war in den Klassenzimmern des Gisela-Gymnasiums durch die Staubentwicklung der Abbrucharbeiten immer noch nicht möglich. Anwalt Brune bezeichnete das Verhalten der Stadt als „Hinhaltetaktik“, um die Kosten für diese Maßnahme zu vermeiden und drohte, vor Gericht zu gehen. Der Sprecher der Stadtsparkasse, Joachim Fröhler, verwies auf einen zehn Meter hohen und sechs Meter breiten Lärmschutzvorhang, der am aktiven Bohrgerät eingesetzt würde. Außerdem wären die störendsten Arbeiten in den Sommer- und Herbstferien erfolgt, und bei der Abiturprüfung 2021 würde auf Lärm verzichtet.11
Das Provisorium. Die Abfallentsorgung sei geregelt, so der Markthallen-Leiter Boris Schwartz (Grüne). Der Baulärm wäre durch die abgeschlossenen Gründungsarbeiten am Gisela-Gymnasium geringer. (Hier hatte aufgrund der Intervention eines Anwalts eine Lärmmessung stattgefunden, die eine Überschreitung der Werte ergab.) Ende 2023 soll der neue Elisabethmarkt fertig sein.12
Neues Schwabinger Loch. Das Areal an der Arcis-, Georgen- und Nordendstraße und im Norden zum Elisabethplatz wurde auf drei Meter Tiefe ausgehoben. Die Stadtsparkasse investiert 65 Millionen Euro. Gebaut werden 82 Wohnungen (47 am Mietspiegel orientiert, zehn nach dem München-Modell und 25 konsumorientiert geförderte) sowie 80 Studenten-Appartements und eine Kita.13
- Anlauf, Thomas, Der Schwabinger Standlstreit, in SZ 1.10.2016 [↩]
- Hutter, Der Standlstreit, in SZ 3.11.2016 [↩]
- Draxel, Ellen, Platz zum Ratschen und Flanieren, in SZ 20.12.2016 [↩]
- Draxel, Ellen, Keine Kompromisse, in SZ 11.3.2017 [↩]
- Elisabethmarkt wird neu gebaut, in SZ 6.4.2017 [↩]
- Draxel, Ellen, Kollektives Kopfschütteln, in SZ 28.7.2017 [↩]
- Draxel, Ellen, Herzensangelegenheit, in SZ 30.12.2017 [↩]
- Draxel, Ellen, Trügerische Ruhe, in sueddeutsche.de 5.2.2018 [↩]
- Draxel, Ellen, Logenplatz an der Baustelle, in SZ 20.10.2020; Draxel, Ellen, Zu viel Müll, zu wenig Schatten, in SZ 28.10.2020 [↩]
- Draxel, Ellen, Zu viel Müll, zu wenig Schatten, in SZ 28.10.2020 [↩]
- Draxel, Ellen, „Unerträglich“, in SZ 2.12.2020 [↩]
- Draxel, Ellen, Positive Zwischenbilanz, in SZ 24.3.2021 [↩]
- Draxel, Ellen, Friede, Freude, frischer Fisch, in SZ 1.7.2021 [↩]
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