Drohender Abriss in Ramersdorf. Ausgerechnet der Gemeinnützige Wohnungsverein München 1899 will Teile seiner Wohnanlage an der Führichstraße 18-66 und der Weiskopfstraße in Ramersdorf (1, 3, 5, 7, 39, 41, 43) abreißen und die zweigeschossigen Gebäude durch vier- bis fünfgeschossige ersetzen. Ein entsprechender Antrag auf Vorbescheid wurde im September 2020 bei der LBK eingereicht. Mit den Neubauten sollen etwa 134 Wohnungen entstehen. Frei werdende Häuser sollen nicht mehr renoviert und nicht mehr an Mitglieder vermietet werden.1
„Der Gemeinnützige Wohnungsverein München 1899 e. V. ist als Verein wohnungsbaugenossenschaftlich organisiert und gilt als älteste und zweitgrößte Wohnungsbaugenossenschaft von München. In 10 Wohnanlagen, die in München verteilt sind, verfügt der ‚Wohnungsverein‘ aktuell über etwa 3000 Wohnungen.“ (Aus Wikipedia)
Das Landesamt für Denkmalpflege schreibt zum Ensemble Wohnanlage am Loehleplatz: „Die Baukörper sind, besonders aus dem Anfang der Bautätigkeit noch vor dem Ersten Weltkrieg, mittels abwechslungsreicher Dachformen, Gauben, Zwerchhäusern, Erkerbauten, Loggien und Putzdekor reich gegliedert und dabei sowohl symmetrisch wie asymmetrisch zusammengeordnet. Die um einen Hof geschlossene Blockbebauung wird ebenso aufgelockert wie die Folgen von Reihenhäusern.“ (Zur Stellungnahme vom Landesamt für Denkmalpflege: http://geodaten.bayern.de/denkmal_static_data/externe_denkmalliste/pdf/denkmalliste_merge_162000.pdf)2
München 1899 rudert zurück. Nach einem Gespräch mit dem BA will der Vorstand des Gemeinnützigen Wohnungsvereins München 1899 prüfen, ob die Planungen und wie diese der Öffentlichkeit präsentiert werden. Die Planungen seien künftige und hätten nicht unbedingt eine hohe Priorität. Man überlege, wie der BA in die Planungen mit einbezogen werden könne. Die Untere Denkmalschutzbehörde überprüfte nach Aussage der LBK den eingereichten Vorbescheidsantrag.3. Sie hat die LBK ersucht, eine Entscheidung über diesen Vorbescheid für zwei Jahre auszusetzen, bis das BLfD die Siedlung überprüft habe.1
Gründung einer Aktionsgemeinschaft. Die betroffenen Mieter, aber auch Anwohner und Unterstützer haben die Aktionsgemeinschaft unser Ensemble gegründet und eine Webseite ins Internet gestellt.4 Als Ziel formulierten sie dort: „Wir sind Anwohner des Ensembles am Loehleplatz und umgebenden Straßen. Uns liegt unser malerisches Viertel am Herzen. Unser Anliegen ist es den besonderen Charme dieses Viertels zu bewahren. Mit dieser Webseite möchten wir auf die historische und architektonische Bedeutung des Ensembles aufmerksam machen und über aktuelle Entwicklungen berichten. Wir möchten eine Plattform bieten für den Austausch zu Belangen der Anwohner. Und wir möchten beitragen zu einem lebendigen Stadtteilleben, Menschen in Kontakt bringen und Nachbarschaft fördern.“5
Als Ziel nannten sie den Schutz des Ensembles: „Der Loehleplatz in Ramersdorf ist ein städtebauliches Idyll, wie man es in München kaum mehr findet. Er ist in besonderer Weise geschützt und doch aktuell aufs Höchste bedroht. Der Gemeinnützige Wohnungsverein München 1899 e. V., dessen Vorgänger dieses Kleinod ursprünglich zu verdanken ist, plant den Abriss aller nicht denkmalgeschützten Häuser, darunter sämtliche Reihenhäuser an der Führichstraße, Bauten an der Maria-Lehner- sowie der Weiskopfstraße. Die Neubaupläne von bis zu fünfstöckigen Wohnblöcken mit zusätzlicher Tiefgarage reichen bis in den Kern des malerischen Wohnquartiers hinein. Die Realisierung dieser Bauvorhaben würde das historisch gewachsene Ensemble nachhaltig beschädigen und für Ramersdorf und seinen geschundenen Ortskern einen unwiederbringlichen Verlust bedeuten.“5
Ensemble-Erweiterung? Inzwischen prüft auf Bitte der Aktionsgemeinschaft das BLfD, ob das Ensemble „Wohnanlagen am Loehleplatz“ erweitert werden kann. Während dieser Prüfzeit ist die Bauvoranfrage des Wohnungsvereins München 1899 zurückgestellt. Auch die Schutzgemeinschaft Ramersdorf e. V. unterstützt die AG Unser Ensemble und hat Postkarten an OB Reiter produziert mit Fotos und Beschreibung auf der Vorderseite und der Bitte an den OB, sich für die Erweiterung des Ensembleschutzes einzusetzen.67
Hochhaus-Abriss in Laim geplant. An der Guido-Schneble-Straße/Ecke Saherrstraße in Laim steht ein Hochhaus des Wohnungsvereins mit zehn Geschossen: Dieses soll einem Neubau weichen. Die Baupläne wurden vom Wohnungsverein bei der LBK eingereicht. Im Dezember 2020 wurde von der Stadt die Fällgenehmigung für Bäume erteilt, die im Januar 2021 dann gefällt wurden. Der BA 25 Laim wurde weder über die Fällung noch über die Neubaupläne informiert und hat nur durch Zufall vom geplanten Abriss erfahren. Er hat nun mit einem Dringlichkeitsantrag die Stadt aufgefordert, das Bauvorhaben vorzustellen, das der BA die „enorme Baumasse“ nicht in Übereinstimmung mit dem Bebauungsplan sieht; außerdem seien keine Freiflächen vorgesehen. Geplant ist ein neuer Wohnriegel mit etwa 200 Wohnungen, Gemeinschaftseinrichtungen und einer Tiefgarage mit 410 Stellplätzen. Die LBK hält den 1966 auf Veranlassung des Wohnungsvereins aufgestellten Bebauungsplan für rechtsgültig, aber nicht mehr für zeitgemäß und will Befreiungen für ein höheres Baurecht gewähren. Wegen einem angeblich übertriebenen Forderungskatalog der Stadt könnte es laut Vorstand des Wohnungsvereins eventuell gar keine weiteren Baumaßnahmen geben. Die Stadt betont, sie habe neben üblichen Forderungen nur auf dem Erhalt des schützenswerten Baumbestandes bestanden.8
Nachtrag Juni 2021: Die LBK hat einen Vorbescheid erteilt. Der 140 Meter lange Wohnriegel wird wie vom BA gewünscht an zwei Stellen unterbrochen. Der BA traf sich mit dem Wohnungsverein 1899: Es wurde vereinbart, das neue Hochhaus bis zu Ecke Senftenauerstraße vorzubauen, um die entfallenden Wohnungsfläche zu ersetzen. Seitdem wartete der BA vergeblich auf eine weitere Klärung: Dann kam der positive Vorbescheid der LBK, und der BA fühlte sich wieder übergangen. Gebaut werden sollen rund 20 Wohnungen, ein Pflegeheim, eine Kita, Gemeinschaftseinrichtungen und 410 Tiefgaragenplätze.9
Das Baujahr dieses Hochhauses mit zehn Geschossen war nicht zu ermitteln: Es sah aus wie aus den sechziger Jahren und machte einen völlig intakten Eindruck. Auch hier wieder der Verweis auf die Graue Energie, die in dem Gebäude investiert ist: und die augenscheinlich weder den Gemeinnützigen Wohnungsverein München 1899 noch die LBK interessiert.
Denkmal Loehleplatz (1). Die CSU-Stadtratsfraktion hat in einem Antrag die Untere Denkmalschutzbehörde aufgefordert, sich für das Ensemble am Loehleplatz zu engagieren: Der Ensembleschutz könnte auf das Gebiet Weiskopfstraße 1-7 und 39-43, Führichstraße 18-68 und Maria-Lehner-Straße 18-42 erweitert werden. Das Areal ist beispielhaft für den genossenschaftlichen Wohnungsbau im frühen 20. Jahrhundert und beispielhaft für die Staffelbauordnung von Theodor Fischer.10
Denkmal Loehleplatz (2).Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) hat das Ensemble „Wohnanlagen am Loehleplatz“ überprüft mit dem Ergebnis, dass auch die Reihenhäuser aus den Jahren 1936 bis 1938 mitprägende Wirkung haben: „Durch die Ausgestaltung der Eckbauten an der Mündung der Maria-Lehner-Straße wird städtebaulich ein Zugang zu den Straßen- und Platzräumen im Innern der Anlage geschaffen. Die Erweiterung ergänzt die Reihen an Maria-Lehner- und Weiskopfstraße und schafft zudem eine neue Zeile an der Führichstraße, alle als zweigeschossige Reihenhausbauten.“1112
Denkmal Loehleplatz (3). Der Landesdenkmalrat hat der Erweiterung des Denkmalschutzes bis zur Führichstraße zugestimmt, ebenso die LH München. Die Aktionsgemeinschaft unser Ensemble hofft nun, dass es nicht zu einem zweiten Uhrmacherhäusl-Verlust kommt: in ungleich größerer Dimension.1 Dazu die Aktionsgemeinschaft in einer Mitteilung vom 27.3.2021:
„Das Ensemble am Loehleplatz wird vollständig erweitert! Laut Münchner Merkur (26./27.03.) hat der Landesdenkmalrat gestern in seiner Sitzung beschlossen unser Ensemble am Loehleplatz zu erweitern und damit auch für die Zukunft in seiner Gesamtheit zu schützen. Das heißt konkret: Alle Gebäude der Weiskopfstr., die angrenzenden Gebäude auf der Maria-Lehner-Str. und auch alle Reihenhäuser der Führichstr. werden mit einem Ensembleschutz versehen! In anderen Worten, unser Anliegen wurde vom Landesdenkmalrat in vollem Umfang bestätigt! Wir sind sehr glücklich über diese großartigen Neuigkeiten. Es bleibt noch abzuwarten was das in Konsequenz für das Bauvorhaben des Wohnungsvereins bedeutet.
In jedem Fall, das hohe Engagement aller Beteiligten der letzten Monate hat sich gelohnt. Herzlichen Dank an alle, die hier aktiv unterstützt haben!“13
Nachtrag Oktober 2021: Am 9.10.2021 feierten Anwohner des Loehleplatzes und die Aktionsgemeinschaft Unser Ensemble am Loehleplatz ein Herbstfest und erinnerten an den März 2021, an dem das Landesamt für Denkmalpflege die Wohnanlage unter Denkmalschutz gestellt hat. Die Schutzgemeinschaft (SG) Ramersdorf verwies auf Einschätzungen des Architekten Christoph Randl. Die Siedlung rings um den Loehleplatz wurde zwischen 1907 und 1924 errichtet und 1936 bis 1938 erweitert. Das Ensemble entstand gemäß der Staffelbauordnung des berühmten Münchner Architekten und Stadtplaners Theodor Fischer.14
Vgl. auch: Baugenossenschaften München; Wohnbaugenossenschaften
- Grundner, Herbert, Erst mal Atempause, in SZ 13.4.2021 [↩] [↩] [↩]
- Grundner, Hubert, Idyll auf Abruf, in SZ 19.11.2020 [↩]
- Grundner, Hubert, Zusagen nach dem Schreck, in SZ 5.12.2020 [↩]
- https://www.unser-ensemble.de/ [↩]
- https://www.unser-ensemble.de/unser-anliegen/ [↩] [↩]
- http://sg-ramersdorf.de/resources/PK_Loehleplatz_2020.pdf [↩]
- Grundner, Hubert, Angst um ein Ensemble, in SZ 29.1.2021 [↩]
- Seipel, Christina, Verdruss über Neubebauung, in SZ17.2.2021 [↩]
- Seipel, Christina, Vollendete Tatsachen in SZ 25.6.2021 [↩]
- Mehr Schutz für das Ensemble am Loehleplatz, in SZ 17.3.2021 [↩]
- https://geoportal.bayern.de/denkmalatlas/searchResult.html?koid=147354&objtyp=ensemble&top=1 [↩]
- https://buergerdialog.online/2021/04/03/muenchen-ramersdorf-ensemble-am-loehleplatz-jetzt-vollstaendig-geschuetzt/ [↩]
- https://www.unser-ensemble.de/2021/03/27/das-ensemble-am-loehleplatz-wird-vollst%C3%A4ndig-erweitert/ [↩]
- Grundner, Hubert, Vom Charme des Quartiers, in SZ 7.20.2021 [↩]