Aktualisiert 15.7.2023
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Die Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron gründeten ihr Büro 1978 in Basel und beschäftigen derzeit rund 4200 Mitarbeiter an sechs weltweiten Standorten.
Hier soll exemplarisch der Bau des Nationalstadions in Peking thematisiert werden. Der Auftrag des Nationalstadions in Peking für die Olympischen Sommerspiele 2008 verursachte viel Kritik und eine Diskussion über das chinesische Regime. Anlässlich der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking und des Nationalstadions gab Jacques Herzog dem Spiegel ein Interview. Zum Bau des in der Weltöffentlichkeit stehenden Nationalstadions sagte er: „Nicht der moralisch denkende Mensch, sondern nur ein Idiot hätte sich dieser Chance verweigert … Wir sind uns inzwischen sicher, dass es richtig war, dort zu bauen.“
Sodann verstieg er sich zu der Feststellung, das Nationalstadion habe etwas „Subversives“, „zumindest nicht so leicht Kontrollierbares oder Überblickbares“. Der Spiegel fragte nach: „Ihre Architektur als Akt des Widerstandes? Übertreiben Sie da nicht?“ Herzog antwortete: „Nein, wir sehen das Stadion als Trojanisches Pferd.“
Herzog verklärte hier das Nationalstadion als Monument der Subversion.
Herzog verteidigte auch die chinesische Regierung: „Auch wir können das Missachten von Menschenrechten in keinster Weise akzeptieren. Wir denken aber, es hat sich etwas in diesem Land getan. Wir sehen einen Fortschritt.“ – „Gerade die letzten paar Jahre konnten wir doch aber einen Aufbruch einer neuen Generation von Künstlern, Architekten und Intellektuellen erleben.“ Und weiter: „China ist nicht weniger demokratisch geworden und respektiert auch die Menschenrechte nicht weniger als früher.“
Die Drangsalierung und Verhaftung von Ai Weiwei im Jahr 2011, also drei Jahre später, war Herzog beim Interview nicht bekannt; er konnte sie sich aber wohl auch nicht vorstellen. Auf die Frage kritischer Journalisten, warum die Olympischen Spiele 2008 in Peking abgehalten wurden, wurde auch vom IOC auf vermeintliche Fortschritte verwiesen: Das Regime öffne sich dadurch und werde demokratischer. Aber das war ein Irrtum: Schon direkt vor und kurz nach den Spielen wurden die Repressionen wieder verschärft.
Über die Architekten-Kollegen, die sich weigern, in China zu bauen, sagte Herzog: „Das ist eine weltfremde, auch arrogante Haltung, ohne Kenntnis und Respekt vor der unglaublichen kulturellen Leistung, welche das Land kontinuierlich über die letzten 5000 Jahre erbracht hat und bis heute erbringt.“
Die totalitäre Ausrichtung der chinesischen Regierung wird von Herzog mit keinem Wort erwähnt.
Der Spiegel fragte dann: „Aber hätte man Ihren Entwurf angetastet, ihn ästhetisch verdorben, dann wären Sie auf die Barrikaden gegangen?“ Herzog antwortete: „Ja, das ist der Bereich, in dem wir noch gehört werden, wenn überhaupt.“
Herzog würde also Widerstand leisten, wenn der Bauherr, in diesem Fall der chinesische Staat, in die künstlerische Konzeption und damit in die Hoheit des Architekten eingegriffen hätte. Dem politischen System China steht Herzog weitgehend unpolitisch gegenüber.
(Alle Zitate: Beyer, Susanne, Knöfel, Ulrike, „Nur ein Idiot hätte nein gesagt“ – Interview mit Jacques Herzog, in Der Spiegel 31/2008)
Kritik an Herzog & de Meuron aus Basel. Das aktuelle „Hausbüro“ des Pharmakonzerns Roche hat bereits zwei Hochhäuser im Basler Südareal gebaut. Nun soll ein „vergleichsweise uninspiriertes“ drittes Hochhaus mit 220 Metern gebaut werden, wie der Professor für Architekturgeschichte und Denkmalpflege an der Universität Bern, Bernd Nicolai, kritisiert. Hierfür sollen „in einer beispiellosen Tabula-rasa-Aktion“ alle dortigen Roche-Gebäude bis auf das Verwaltungs- und Direktionsgebäude abgerissen werden. Dies würde u. a. das Ende des von Roland Rohn 1957 bis 1960 gebauten Verwaltungsgebäudes mit Glas-Vorhangfassade und des Pharmabaus von Otto Rudolf Salvisberg (Bau 27, 1936) bedeuten, letzterer eine „Ikone der Industriearchitektur des Neuen Bauens“. Der Roche-Konzern und das Büro Herzig & de Meuron verweisen auf den angeblich maroden Zustand der Gebäude, die bis heute in permanenter Nutzung und Pflege sind. Bernd empfiehlt dem Roche-Konzern und der Stadt Basel, diese Bauten umgehend unter Denkmalschutz zu stellen.1
Ich habe mir übrigens selbst vor einiger Zeit die beiden Roche-Türme von Herzog & de Meuron in Basel angesehen: Ich habe selten so etwas Hässliches, Klotziges, Protziges gesehen, das die ganze Basel-Silhouette dominiert.
Dazu aus Wikipedia, Herzog & de Meuron: „Für den Pharmaziekonzern Roche entwarfen Herzog & de Meuron in Basel ein Hochhaus von 154 Metern. Dessen Gebäudeform sollte an die Doppelhelix erinnern. Das Projekt wurde von Roche zurückgezogen. Ein neuer Entwurf für das Bürogebäude, das nunmehr 178 Meter erreichen sollte, wurde am 17. Dezember 2009 von Roche bekanntgegeben. Dieser sogenannte Roche-Turm, ebenfalls von Herzog & de Meuron entworfen, wurde 2015 fertiggestellt. (…) Ein zweiter, 205 Meter hoher Roche-Turm wurde seit 2017 erbaut und im September 2022 fertiggestellt. Auch der Entwurf für diesen Turm stammt von Herzog & de Meuron. Ende 2020 wurde bekannt, dass statt „drei kleinerer Büroturme mit max. 130 Metern Höhe, Roche mit einem neuen einzelnen Turm liebäugelt“. Bereits in der Planung war das Hochhausprojekt umstritten. Nicht nur wegen der städtebaulichen Auswirkungen, sondern auch aus denkmalpflegerischen Gründen und nicht zuletzt weil der gewaltige Hochhauskomplex mit dem dritten Roche-Turm als visuelle Machtdemonstration des weltgrößten Pharmakonzerns empfunden wird.“
Eine weitere Kritik: „Eben wurde das zweite Roche-Hochhaus eingeweiht. Doch beide Türme sind aus der Weltsicht der Nuller-Jahre gebaut. Heute erscheinen sie als zu monumental, zu klimafeindlich. (…) Der Roche Campus ist maximal verdichtet. Grüne Flächen sucht man vergebens. (…) Es gab zwar Kritik im kleinen Kreis, aber nie eine städtebauliche Diskussion. Zu sehr steht die Stadt Basel in fiskalischer Abhängigkeit vom Konzern und zehrt vom mäzenatischen Wohlwollen seiner Großaktionäre.“2
München-Delegation besucht Basler Hochhausfreunde. Ende Juni 2023 fuhr eine 33-köpfige Delegation des Münchner Stadtrats, leitenden Vertretern des Planungsreferats (inklusive Stadtbaurätin Elisabeth Merk) und der GWG und Gewofag drei Tage nach Basel und ließen sich von kritiklosen Berner Vertretern (dem Kantonsbaumeister Beat Aeberhard, der kantonalen Raumplanerin Susanne Fischer und Architekt Pierre de Meuron himself) erklären, wie toll der Basler Hochhausbau funktioniert. Tenor: Basel baut höher als München. Hier gibt es (anscheinend) keine großen Grundsatzdebatten um Hochhäuser. (Doch, siehe oben!!!) Das Basler Wachstum geht in die Höhe. Usw. Und Jubelbeiträge – wie von der bekannten Hochhausfreundin und Stadträtin und BA-Vorsitzenden von Neuhausen-Nymphenburg, Anna Hanusch (Grüne): „Es gibt hier in Basel anscheinend sehr viel weniger Bewahrungsdenken.“ Oder wie von Stadtrat Jörg Hoffmann (FDP): „Und hier zeigt sich ja, dass die Türme zur Stadt passen.“ Stadträtin Brigitte Wolf (Die Linke) konstatierte dagegen kritisch: „Wenn BMW so was wollte, würde das in München auch so laufen.“3
BMW hat sein Hochhaus längst (kämpft aber gerade um die „BMW-Autobahn“). Die Büschl Unternehmensgruppe will aber auf Biegen und Brechen noch zwei Hochhäuser mit 155 Meter Höhe. Sofern überhaupt noch nötig, war dieser Ausflug zum Weichkneten der Münchner Abgesandten augenscheinlich eine gelungene Veranstaltung: So war sie ja auch konzipiert. Reichlich vorhandene Kritik an den Herzog & de Meuron-Hochhausklötzen blieb in Basel außen vor – wie in München. Bei der Werbekampagne für die Büschl-Hochhäuser (und weitere Hochhäuser) des Planungsreferats wurden diesmal nicht 120 Bürger für ein nichtrepräsentatives „Bürgergutachten“ bemüht, sondern den 33 Vertretern aus München eine sorgfältig ausgewählte Inszenierung von Basler Hochhausbefürwortern präsentiert: quasi ein Heimspiel für das Büro Herzog & de Meuron. Und wahrscheinlich lacht Ralf Büschl leise im Hintergrund.
Ich habe mir übrigens selbst vor einiger Zeit die beiden Roche-Türme von Herzog & de Meuron in Basel angesehen: Ich habe selten so etwas Hässliches, Klotziges, Protziges gesehen, das die ganze schöne Basel-Silhouette dominiert.
Die Kritikerin der Büschl-Hochhäuser an der Paketposthalle, Elke Wendrich, schrieb dazu in einem (nicht veröffentlichten) Leserbrief an die SZ u. a.: „München lässt sich Stadtplanung von der Baseler Stadtplanung und Herzog & de Meuron erklären oder vielmehr verklären. Eine Stadtplanung, die sich mit so Profanem wie der Höhe von Mieten nicht beschäftigt. Eine Stadtplanung, an der Verrisse der Fachpresse offenbar abprallen, zumindest ist davon vor den Exkursionsteilnehmern aus München keine Rede. Stadtbaurätin Merk kennt den vernichtenden Artikel aus der Bauwelt zu Basels Wahr(n)zeichen – da bin ich sicher. Leser der Standpunkte des Münchner Forums auch, denn dort habe ich im Juliheft 2020 auf S. 23 zitiert aus: „Bau Eins in Basel – Basel hat ein neues Wahrzeichen: Der Bau Eins von Roche ist das höchste Haus der Schweiz. Doch niemand frohlockt. Was ist geschehen? Eine Rekonstruktion der Ereignisse“. Die Vorgänge dort wirken wie ein Drehbuch für die aktuellen Vorgänge in München. 1. Szene: Präsentation und Bejubeln eines spektakulären Entwurfs von Herzog & de Meuron. 2. Szene: Fehlender Wettbewerb. 3. Szene: Zeitgleich ein Hochhauskonzept mit ausgewiesenen Arealen, das den Roche-Turm im Nachhinein legitimiert. Hier in München nennt sich dieses Hochhauskonzept Hochhausstudie. Und ein ausgewiesenes Areal ist Büschls Grundstück mit der Paketposthalle, für das Hochhäuser ohne Höhenbeschränkung vorgesehen sind.“
Herzog & de Meuron-Bauwerke in München: u. a. Galerie Goetz, Fünf Höfe, Fußballstadion des FC Bayern.
Herzog & de Meuron-Projekte in München: u. a. Büschl-Hochhäuser an der Paketposthalle, „Postblock“ an der Bayerstraße, Paul-Heyse-Straße und Schwanthalerstraße
Vgl. auch: Büschl Unternehmensgruppe, Paketposthalle
- Nicolai, Bernd, Braucht Basel ein „Rochehattan“? Herzog & de Meurons drittes Hochhaus verpasst die Chance einer Innovation, in nzz.ch 17.11.2020 [↩]
- Mensch, Christian, Kaum gebaut und schon aus der Zeit: Basel hat das höchste Gebäude der Schweiz – doch den Roche-Türmen fehlt die Weitsicht, in www.bzbasel 3.9.2022 [↩]
- Krass, Sebastian, Was München von Basel lernen kann, in sueddeutsche.de 2.7.2023 [↩]