November 1992: Universität lässt Eckgebäude abbrechen. Der Abriss der Unibauten Schellingstraße 12 und 14 und Amalienstraße 50 (ehemaliges Forstwissenschaftliches Institut) für ein neues Gebäude der Historiker wird trotz aller Bemühungen des Bezirksausschusses Maxvorstadt/Universität noch im Jahr 1992 beginnen.
Das Eckgebäude Amalien-/Schellingstraße wurde 1840 gebaut und 1923 umgebaut. Es steht nicht unter Denkmalschutz. Hier steht laut Bayerischem Staatsministerium für Unterricht, Kultus und Wissenschaft „das Vorhandensein von historischer Substanz und von Ausbaudetails in einem problematischen Missverhältnis“. Vom Gebäude Schellingstraße 52 bleiben nur die denkmalgeschützte Fassade und das Treppenhaus erhalten. Der BA-Vorsitzende Klaus Bäumler (CSU) äußerte, es würde den Historikern gut anstehen, wenn sie in historischen Gebäuden arbeiteten.1
Die Universität macht sich breit. Die LMU expandiert seit Langem in Münchens Innenstadt, vor allem in der Maxvorstadt und in Schwabing. Der nächste größere LMU- und TUM-Universitätskomplex entstand nach einem Kabinettsbeschluss der bayerischen Regierung 1980 auf dem staatlichen Grundstück des ehemaligen Geländes der Türken-Kaserne, den die Stadt 1986 widerwillig akzeptierte. BA-Vorsitzender Bäumler protestierte gegen das sowieso schon überlaste Wohngebiet Maxvorstadt; ebenfalls protestierte die Aktion Maxvorstadt, die seit 1971 gegen die Ausbreitung der LMU im Viertel vorging. Dazu sollte auch noch das Internationale Begegnungszentrum (IBZ) in der Amalienstraße 38 angesiedelt werden, obwohl dort seit 1972 ein Zweckentfremdungsverbot gilt. 1980 votierte der Landtag mit seiner CSU-Mehrheit für das IBZ. Nun geht es um die Amalienstraße: Gegen den Abriss des historischen Eckgebäudes hatten der Münchner Heimatpfleger Enno Burmeister und der BA heftig protestiert. Der Kompromiss: Beim Gebäude Amalienstraße 52 sollen Außenfassade und Treppenhaus erhalten bleiben.2
Keine Verzögerung beim Abriss. Auf einer Sitzung der Stadtgestaltungskommission 1992 hatte Ministerialdirigent Rainer Franz behauptet, die Staatsbauverwaltung habe festgestellt, dass die Tragkraft der Decken nur noch unter 100 Kilogramm liege. Für Heimatpfleger Burmeister und den BA wäre das Gebäude aus Denkmalschutzgründen erhaltenswert. Inzwischen ist der Abriss des Eckgebäudes und der Nachbarhäuser plus Rückgebäude in der Schellingstraße in vollem Gang. Wenigstens die „handwerklich einmaligen“ Einfahrtstore sollten auf Antrag des BA und des Vereins zur Erhaltung denkmalgeschützter Wohnhäuser in der Maxvorstadt (VEM) e. V. gesichert werden. Das Landesamt für Denkmalpflege schrieb, es sei ebenfalls daran interessiert, die Torbögen zu retten, es sei aber kein Aufbewahrungsplatz vorhanden.3
1993: Verzögerung beim Neubau (1). Da die Stadtgestaltungskommission die Neubaupläne abgelehnt hat, wird sich der Baubeginn bis 1994 verzögern. Da die LMU sofort nach der Abrissgenehmigung mit dem Abriss begonnen hatte, nannte der BA-Vorsitzender Bäumler dieses Vorgehen „Spekulantentum“, da man vollendete Tatsachen schaffe, um die Diskussion um den historischen Bestand zu beenden. Der Leitende Baudirektor des Uni-Bauamtes, Georg Schmidt, wiederholte das Argument, dass aus statischen Sicherheitsgründen die alten Institutsbauten nicht mehr nutzbar gewesen seien. Das ist umso verwunderlicher, als die Räume bis kurz vor dem Auszug der Forstwissenschaftler noch voll genutzt wurden.
Die erhaltungswürdigen steinernen Zufahrtsportale zur Schellingstraße wurden gleich mitabgerissen. Vertreter des Stadtmuseums stellten fest, dass die Türflügel in einem schlechten Zustand seien: Die Metallteile wurden herausgebrochen und alle Verglasungen zerstört. Das Universitätsbauamt ging dagegen davon aus, dass die Tore „extra gesichert und gelagert“ seien.4
1995: Verzögerung beim Neubau (2). An der Ecke Amalien-/Schellingstraße gähnt auch noch im April 1995 eine riesige Leerstelle. Der Bau des Historikerzentrums ist gestoppt. Der Freistaat Bayern stellte zwar im April 1993 das Geld für den Abriss blitzschnell zur Verfügung. Der Bund, der 50 Prozent der Kosten tragen müsste, verweist auf leere Kassen.5
Das Historikerzentrum wird gebaut. Der Baubeginn war im Herbst 1997, das Richtfest wurde am 7.5.1998 gefeiert. OB Christian Ude sagte dort: „Dieser Neubau schließt eine Baulücke und ist deshalb gut für das Stadtbild und gut für die Maxvorstadt. Dass der schöne Bau von Adolf Schulze in der Amalienstraße für die Zwecke der Historiker gänzlich ausgekernt werden musste, ist kein Grund zum Nase rümpfen.“6
Der Architekturstil ist für mich eine Kombi aus Büroraster mit stalinistischen Anleihen.
Ende gut? Am 17.11.1999 wurde das Historikerzentrum eröffnet. Die Proteste des BA gegen den Abriss der ehemaligen Offiziersgebäude an der Schellingstraße waren umsonst. Vom nördlichen denkmalgeschützten Gebäude blieben nur die Außenfassade und das Treppenhaus bestehen. Der pompöse Neubau für 55 Millionen DM prangt an der Ecke Schelling- und Amalienstraße. Die Bibliothek mit 275.000 Büchern und Zeitschriften belegt 3000 qm und hat 349 Arbeitsplätze.7
Schon etwas merkwürdig, wenn so viele Quadratmeter wertvoller Raum durch Bücher und Zeitschriften belegt werden: 500 Meter von der Staatsbibliothek in der Ludwigstraße entfernt. Außerdem ist absehbar dass der Lagerraum schon bald wieder knapp wird.
- Raths, Alfred, Historiker bekommen neues Ambiente, in SZ 19.11.1992 [↩]
- Burtscheid, Christine, Nach langer Entwöhnung endlich Versöhnung, in SZ SZ 16.4.1993 [↩]
- Hutter, Dominik, Alte Gebäude stehen Historikern im Weg, in SZ 3.6.1993 [↩]
- Hutter, Dominik, Leeres Land auf teurem Grund, in Münchner Stadtanzeiger 5.8.1993 [↩]
- Burtscheid, Christine, Statt neuer Lehrsäle nur gähnende Leere, in SZ 12.4.1995 [↩]
- „Kein Grund zum Nase rümpfen …“, Richtfest beim Münchner Historikerzentrum, in baunetz.de 8.5.1998 [↩]
- Burtscheid, Christine, Das gute Ende einer langen Geschichte in SZ 18.11.1999 [↩]
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