Februar 2001: Entmietung in der Kreittmayrstraße 19. Die Immobilienfirma Euroboden hat im Jahr 2000 das Haus Kreittmayrstraße 19 in der Maxvorstadt gekauft. Im Dezember 2000 hat Euroboden allen Mieter gekündigt. In der Kündigung schrieb der Geschäftsführer Stefan Höglmaier, dass der derzeitige Zustand des Hauses Euroboden eine wirtschaftliche Verwertung verhindert und deshalb eine Generalsanierung anstehe. Die derzeitigen Mieten von durchschnittlich acht DM pro Quadratmeter ergäben nur eine unrentable Nutzung. Nach der Generalsanierung werden die Wohnungen zu einem „erheblich höheren Preis vermietet beziehungsweise ein Veräußerungserlös erzielt“. Die alteingesessenen Mieter sahen ihre Wohnungen in ausreichend gutem Zustand. Sie äußerten ihr Unverständnis, dass in München Firmen und Privatpersonen einfach Häuser kaufen und die Mieter rauswerfen können.
Der Vorsitzende des BA 3 Maxvorstadt, Klaus Bäumler (CSU), sprach vom ersten Fall seit Jahrzehnten, dass ein neuer Eigentümer rigoros die Entmietung betreibt. Euroboden nützt einen Verfahrenstrick. Die bestehende Erhaltungssatzung gilt bis Sommer 2001. Die Immobilienfirma hatte die Abwendungserklärung unterschrieben und verpflichtete sich dadurch, keine Mietwohnungen in Eigentum umzuwandeln und keine Luxussanierungen durchzuführen. Deshalb konnte die Stadt ihr Vorkaufsrecht nicht ausüben. Mit Ablauf der Gültigkeit der alten Erhaltungssatzung verliert diese aber nach alter Regelung ihre Gültigkeit, auch wenn sie verlängert wird. Dies wurde inzwischen im neuen Text der Erhaltungssatzung geändert: Das Wohnhaus Kreittmayrstraße 19 fiel jedoch nicht mehr darunter. Euroboden kaufte das Haus also kurz vor Ablauf der Erhaltungssatzung und unterschrieb die kurze Zeit später wertlose Abwendungserklärung.
Deshalb behauptete Euroboden-Pressesprecher Oliver Ückerseifer, man habe sich zu 100 Prozent an die rechtlichen Auflagen der Stadt gehalten. Ein Euroboden-Unterstützungsfonds von z. B. 15.000 DM soll Wohnungssuche und Umzug unterstützen. Bestehende Wohnungen werden verändert, Grundrisse verändert und Wände und Decken erneuert. Darum müssen die Mietverhältnisse beendet werden.1
Dezember 2001: Erste Wohnungen in der Kreittmayrstraße 19 verkauft. Nach Auslaufen der alten Erhaltungssatzung im Sommer 2001 hat Euroboden die ersten Wohnungen verkauft und in Verkaufsprojekten die geplanten Sanierungen der Wohnungen gezeigt. Bis jetzt hat Euroboden nur mit fünf Mietern Aufhebungsverträge geschlossen.
Die Geschäftsführerin des Mietervereins München, Sibylle Färber, die auch die Mieter in der Kreittmayrstraße 19 betreute, nannte die Praxis von Euroboden „Entmietung durch den Handwerker“. Die Mieten können nach der Modernisierung um bis zu 100 Prozent steigen. Die Altmieter können nach einem Verkauf der Wohnung vom neuen Käufer über eine Sperrfrist von zehn Jahren nicht mehr gekündigt werden: Deshalb eilt es mit der Entmietung.
Das Sozialreferat beobachtete schon länger die Aktionen von Euroboden, konnte aber wegen der ausgelaufenen Erhaltungssatzung nichts unternehmen.
Euroboden-Geschäftsführer Stefan Höglmaier gab offen zu, an der Auflösung der Mietverträge interessiert zu sein – sofern die Ablösung im Rahmen bleibt. Er empfahl den Mietern, nicht zu bleiben, da die Sanierungsarbeiten mit viel Stress verbunden seien.2
Zerstörte Wohnungen. Im Jahr 2002 war die Mieterin Maria N. 81 Jahre alt, hatte einen Herzschrittmacher und ist eine von drei verbliebenen Mietern. Sie wohnte dort seit mehr als 70 Jahren. Der Weg zu ihrer Wohnung war mit Zementsäcken und Schutthaufen gepflastert. Im September 2002 verursachten die Handwerker einen schweren Wasserschaden, da das Dach über ihrer Wohnung abgerissen wurde: Dass Wasser floss in ihr Schlafzimmer. Das ist noch viermal passiert; seither schlief sie auf einer Couch. Die Böden waren nass, Schimmel breitete sich auf Wänden und Möbeln aus. Inzwischen litten auch ihre Bronchien und ihr Herz.
Euroboden-Geschäftsführer Stefan Höglmaier sah den Fehler – natürlich – bei der Baufirma, die man abgemahnt habe. Scheinbar großzügig ersetzte Euroboden die ruinierten Möbel im Schlafzimmer, und seit dem Wasserschaden wird keine Miete mehr verlangt. Weitere Wasserschäden sind für Höglmaier unwichtig; das Schlafzimmer sei ohnehin nicht mehr bewohnbar. Frau N. soll nun umziehen in eine Wohnung, die aber noch nicht fertig sei. Da sie zunächst nicht umziehen wollte, habe man sich nicht mehr beeilt. Höglmaier vermutete, dass Frau N. nur eine höhere Abfindung haben wolle.
Durch eine Empfehlung der Maxvorstädter Bürgerversammlung wollte die Stadt nun die Baustelle überprüfen. Das Sozialreferat wollte die Auswirkungen der Baumaßnahmen auf die Gesundheit begutachten. Die LBK hatte Euroboden aufgefordert, in zwei Wochen die Wohnung zu trocknen.
Parallel zur Kreittmayrstraße 19 agierte Euroboden in ähnlicher Weise in der Hohenzollernstraße 113 und in der Trogerstraße 44.3
- Rührmair, Christoph, Kampf gegen „rigorose Entmietung“, in SZ 17.2.2001 [↩]
- Rührmair, Christoph, Bewohner fürchten sich vor Sanierung, in SZ 21.12.2001 [↩]
- Rührmair, Christoph, Wasser im Boden, Schimmel an der Wand, in SZ 27.11.2002 [↩]
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