Aktualisiert am 7.8.2022
Baustelle Künstlerhaus Thalkirchner Straße. Im Jahr 2004 wurde das so genannte Künstlerhaus in der Thalkirchnerstraße 80 mit dem Münchner Fassadenpreis ausgezeichnet. Nun ist die Fassade im wahrsten Sinn des Wortes ab. Seit 2016 ist das Haus zweimal verkauft worden (siehe unten). Zum Jahreswechsel 2016/2017 wurde das „Künstlerhaus“ in der Thalkirchner Straße 80 zum ersten Mal verkauft. Der Erstkäufer, die Grünwalder Firma KL Bau, hat umgehend den Künstlern und Fotografen gekündigt. Dann erhöhte der neue Eigentümer erst die Mieten um bis zu 120 Prozent und kündigte danach eine Modernisierung an.12
Aus der Webseite der KL-Gruppe: „Das Haus, im Herzen dieses schönen Stadtteils von München, wurde im Jahre 1879 erbaut und in den letzten Jahren liebevoll saniert, wodurch das Haus zu einem Schmuckkästchen veredelt wurde.
Ideal geeignet für Liebhaber des Besonderen, die einzigartige Atmosphäre lieben und diese zu schätzen wissen.
Die Immobilie hat im Jahr 2004 den Fassadenpreis der Stadt München erhalten: Der Fassadenwettbewerb zeichnet mustergültige Renovierungen von Stuckfassaden der Gründerzeit und des Jugendstils sowie von Fassaden älterer und abgeschlossener jüngerer Bauepochen aus.
Das Objekt besteht aus 32 Einheiten, aufgeteilt in Wohn- und Gewerbefläche.“3
Abschied und Auszug. Am Wochenende 16. und 17.9.2017 fand ein Abschiedsfest mit 200 Gästen statt. Es spielte die Express Brass Band, dazu legten sechs DJs auf. Die meisten gewerblichen Mieter waren schon ausgezogen, Wohnmieter wurden herausgekauft. Übliche Entmietungen mit Wasserschäden oder zusammenfallende Wände kamen nicht vor. KL Bau will einvernehmlich agieren.2
Weiterverkauf. 2017 kaufte die Firma Kiefer und Remberg (heute: Remberg Bauträger GmbH & Co. KG das Haus für angeblich 19,5 Millionen Euro und wollte es unter dem Namen „Palais Thalkirchen“ vermarkten. Eine 65-Quadratmeter-Wohnung wäre z. B. für 895.000 Euro zu haben gewesen. Im Herbst 2017 begannen die „Modernisierungsarbeiten“: Aufreißen des Hinterhofs, Schutthaufen als Hindernis für den Zugang zum Rückgebäude, Herausreißen der Holzfußböden und Türstöcke im Vorderhaus. Die Mieter informierten das Denkmalamt. Ende 2017 wurden die Umbauten eingestellt, Mitte 2018 fortgesetzt. Nunmehr sind die Bauarbeiten seit Herbst 2018 wieder eingestellt.1
Zweitverkauf. Im Februar 2018 wurde das Künstlerhaus über das Portal Immobilienscout24 angeboten: Der Preis liegt nunmehr bei mindestens 23,8 Millionen Euro. Geworben wurde mit dem Argument von 16 leeren Wohnungen: Sie können „sofort renoviert und bei Wunsch auch einzeln verkauft werden“. Der Mieter Tilman Schaich hat zur Selbsthilfe mit anderen den „Münchner Mieter*innenstammtisch“ und die Initiative „ausspekuliert“4 gegründet. Seine Wohnung mit 69 Quadratmeter kostete bisher 675 Euro; nach der Modernisierung werden 1469 Euro verlangt: Das kann er sich nicht mehr leisten. Beate Zurek vom Mieterverein München äußerte dazu: „Der Sinn und Zweck, überhaupt zu modernisieren, ist in vielen Fällen schlicht, die alten Mieter loszuwerden.“56
Stand 2020: 17 Wohnungen stehen jetzt leer, 16 von ihnen seit 2017. Im Vordergebäude wohnt ein einziger Mieter, im Erdgeschoss ist noch ein Kindergarten. Im Rückgebäude waren es einmal 15 Mietparteien; knapp die Hälfte wohnt noch dort. Die Heizung wurde auf Minimalbetrieb gestellt, Schutt lag im ganzen Vorderhaus, die Elektrik wurde zerstört, die Dämmung herausgerissen.7
Aktion von „Ausspekuliert“: „Wie kann man Leerstand legal über Jahre hinweg rechtfertigen? Kommen Sie zur fabelhaften Informationsveranstaltung über den Leerstand auf dem Anwesen des Palais Südfriedhof und lernen Sie. Die Bewohner der TH80 zeigen Ihnen, wie Sie ganz einfach für Mieter untragbare Zustände schaffen können. – Wann: 24. Oktober 2020. Uhrzeit: 14-18 Uhr
Wo: Palais Südfriedhof, Thalkirchner Straße 80, 80337 München
„Nachdem die sanitären Einrichtungen aus den Wohnungen entfernt wurden und die meisten in Baustellenzustand versetzt wurden, steht die Baustelle seit mehr als zwei Jahren still. Ein sehr einfaches Mittel, um nicht wegen Zweckentfremdung belangt werden zu können.“8
Remberg in Insolvenz. Im September 2021 erhielt Tilman Schaich, Mitbegründer von “Ausspekuliert”, einen Anruf und erfuhr von der Insolvenz von Remberg Bauträger GmbH & Co. KG. Insolvenzverwalter wurde Axel Bierbach von der Münchner Sozietät Müller-Heydenreich. Die Fa. Remberg soll zahlungsunfähig und überschuldet und nicht mehr in der Lage sein, die Sanierungsarbeiten durchzuführen. Die Insolvenzmasse umfasst noch ein nicht vermietetes Wohnhaus in der Hofmannstraße in Obersendling. Die Thalkirchner Straße 80 wurde seit 2016 zweimal erkauft. Im Sommer 2017 erwarb ein Vorgänger von Remberg Bauträger GmbH & Co. KG das Anwesen. Remberg soll die Thalkirchner Straße 80 mit drei Gebäuden und 24 Wohnungen mit Gewerbeflächen für 19,5 Millionen Euro gekauft haben. Das Anwesen soll im Frühjahr 2022 verkauft werden: Nach der Vorgeschichte würde ein Investor genau beobachtet werden. 17 Wohnungen stehen seit längerer Zeit leer: Die Mieter der immer noch bewohnten Wohnungen hatten durchgehalten. Sie schlugen nun vor, im “Palais Südfriedhof” ein Projekt für gemeinschaftliches Wohnen und Handwerk und einer Kita zu etablieren. Der BA Ludwigsvorstadt – Isarvorstadt hat dafür einen Antrag bei der Stadt eingereicht. Nach der Insolvenz überlegte die Stadt erneut einen Ankauf. Die grün-rote Koalition stellte Ende Oktober 2022 im Stadtrat einen Antrag “Bezahlbares Wohnen in der Thalkirchner Straße 80”.9
Hat die Stadt den Kauf verbummelt? Die Fa. Remberg ist in Insolvenz (siehe oben), und der überwiegende Teil der 24 Wohnungen steht inzwischen leer. Der Insolvenzverwalter Axel Bierbach suchte Käufer: und die Stadt hätte Geld zur Verfügung, da durch das Urteil des BVerwG vom November 2021 das Vorkaufsrecht der Stadt stark eingeschränkt wurde. Angeblich hat sich die Stadt mehrmals bei Bierbach gemeldet und ihr Interesse bekundet. Der hat nach eigenem Bekunden die Stadt mehrfach auf den dringlichen Verkauf hingewiesen, da das Insolvenzverfahren seit Sommer 2021 läuft. Leider sei die Stadt zu träge gewesen. Die Stadt wiederum verwies auf den hohen Preis; außerdem sei die Kämmerei gegen den Kauf gewesen, das Kommunalreferat dafür.
((Kastner, Bernd, Zum dritten Mal verkauft, in SZ 14.2.2022))
H-Ausverkauf. Der Investor Pronesta aus Feldafing hat über seine Tochterfirma T80 GmbH die 26 Wohnungen im Vorder- und Hinterhaus des “Künstlerhauses” für 22,5 Millionen Euro gekauft. Zu T80 GmbH wird genannt: “Handel mit Immobilien einschließlich Sanierung, Vorbereitung und/oder Durchführung von Bauvorhaben als Bauherr im eigenen Namen für eigene oder fremde Rechnung, Vermietung und Verpachtung von Liegenschaften, wirtschaftliche Vorbereitung und/oder Durchführung von Bauvorhaben als Baubetreuer im fremden Namen für fremde Rechnung, Hausverwaltung und Immobilienverwaltung.”10
Der Kauf wurde am 21.4.2022 beurkundet. Angeblich könnten die Mieter im Objekt wohnen bleiben. Allerdings entfallen durch den Kaufpreis pro Wohnung über 865.000 Euro: Eine Rendite durch Bestandsmieten ist damit unwahrscheinlich. Hinzu kommen die Kosten für Sanierungsarbeiten. Die Aufteilung in Eigentumswohnungen ist schon 2017 erfolgt, sodass zehn Jahre später, ab 2027, der Verkauf der Wohnungen möglich ist.
Damit ist die Stadt endgültig aus dem Rennen. Die städtische Gewofag hat in einer Stellungnahme ohne Besichtigungsmöglichkeit die zuerst von einem Makler geforderten 24,5 Millionen Euro als “überdurchschnittlich hoch” bezeichnet. Trotzdem unterbreitete das Kommunalreferat ein Angebot in ungefähr dieser Höhe.11
Das Chaos geht weiter. Die Untere Denkmalschutzbehörde des Planungsreferats hat am 20.7.2022 zunächst für eine Woche einen kompletten Baustopp verfügt, seit 28.7.2022 einen teilweisen. Bei den “Sanierungsarbeiten” seien in dem denkmalgeschützten Bau in leerstehenden Wohnungen Türen mitsamt der Türstöcke herausgerissen worden; ein Bußgeldverfahren wurde eingeleitet. Der Geschäftsführer des Investors Pronesta äußerte sich bei einer telefonischen Rückfrage der SZ nicht und legte auf; auch schriftliche Nachfragen beantwortete er nicht. Derzeit leben noch fünf Mietparteien im Rückgebäude; von den 24 Wohnungen stehen 19 leer.12
- Hoben, Anna, So viel Platz, so lange leer, in SZ 26.10.2020 [↩] [↩]
- Lotze, Birgit, Abschied auf Raten, in SZ 19.9.2017 [↩] [↩]
- https://www.klgruppe.com/details/tahlkirchnerstra%C3%9Fe-80.html, abgerufen am 30.1.2022 [↩]
- https://ausspekuliert.de/ [↩]
- Hoben, Anna, Wenn die Miete um 273 Prozent steigen soll, in SZ 6.2.2018 [↩]
- Wohnen auf der Baustelle: Mieter kämpfen gegen Eigentümer, in br.de 16.7.2020 [↩]
- Hoben, Anna, So viel Platz, so lange her, in SZ 26.10.2020 [↩]
- https://www.ausspekuliert.de/notes/3-jahre-leer-wir-haben-platz [↩]
- Krass, Sebastian, Rettende Pleite, in SZ 11.1.2022 [↩]
- https://www.northdata.de/T80+GmbH,+Feldafing/Amtsgericht+M%C3%BCnchen+HRB+272337 [↩]
- Krass, Stefan, “Künstlerhaus” für 22,5 Millionen Euro an Investor verkauft in SZ 16.4.2022 [↩]
- Kastner, Bernd, Baustopp im “Künstlerhaus”, in SZ 30.7.2022 [↩]
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