Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Verein für Volkswohnungen

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Aktualisiert 15.9.2022

2002: Münchner Genossenschaften schließen Warteliste. Die aktuell 42 Münchner Wohnungsgenossenschaften verwalten über 40.000 Wohnungen. 2002 haben fast alle Genossenschaften ihre Warteliste geschlossen. Beim Bauverein Giesing eG standen 500 Interessenten auf der Warteliste. Beim 1909 in München gegründeten Verein für Volkswohnungen eG standen 400 Vormerkungen an. Dessen geschäftsführender Vorstand Hans Reichl stellte fest: „Der private Wohnungsbau ist mittlerweile völlig zum Erliegen gekommen.“1

Verein für Volkswohnungen: Abriss Andréestraße 8 bis 14 und Renatastraße 28 bis 34. Die 167 Wohnungen in dem 1915 errichteten Wohnkomplex gehören dem 1909 gegründeten Verein für Volkswohnungen eG (VfV). Die Häuser sollen in zwei Bauabschnitten abgerissen und durch Neubauten mit Tiefgarage ersetzt werden. Die dort wohnenden etwa 500 Mieter befürchten exorbitante Mietsteigerungen und bescheinigen den Häusern eine gute Bausubstanz. Der BA 9 Neuhausen – Nymphenburg hatte im Juni 2002 das Planungsreferat aufgefordert, sich um eine einvernehmliche Lösung zu bemühen. Die Genossenschaft antwortete den Bewohnern, es sei noch nicht entschieden, ob eine Generalsanierung oder ein Abriss komme. Die 1915 gebauten Häuser entsprächen nicht mehr einem modernen Wohnkomfort.2
Eine Bürgerversammlung im November 2002 im Neuhausener Trafo forderte die Stadt auf, den Abriss der Genossenschaftswohnungen Andréestraße 8 – 14 und Renatastraße 28 – 34 zu verhindern.3
Das Planungsreferat hat dann im Juli 2003 eine Anfrage des Vereins für Volkswohnungen auf Abriss positiv beantwortet: Die Genossenschaft darf abreißen und größere Wohngebäude mit Tiefgarage errichten. Es sei aber noch kein Bauantrag eingegangen.4 OB Christian Ude bestätigte die Entscheidung des Planungsreferats. MdL Rainer Volkmann (SPD) erwähnte in der Sitzung des BA 9 die Möglichkeit, zivilrechtlich nach dem Kündigungsschutzgesetz vorzugehen.5
Im Mai 2004 konnte über die neuen Mieten nur spekuliert werden. VfV-Vorstand Hans Hofmeister bot den Alt-Mietern reduzierte Mieten von etwa einem Drittel unter dem Mietspiegel-Niveau von aktuell 12,50 Euro an. Die Mieterinitiative mit 100 Bewohnern rechnete mit zwölf bis 15 Euro pro Quadratmeter – für die meisten unerschwinglich bei derzeit 3,50 Euro. In jedem Fall wurden die Mieter nicht wie in München üblich von Spekulanten vertrieben, sondern von der eigenen Genossenschaft.6
Im Mai 2005 war klar: Die 167 genossenschaftlichen Wohnungen werden abgerissen. Der Vorstand des Vereins für Volkswohnungen präsentierte Architekturmodelle von Studenten und kündigte an, im Juni 2005 einem Architekten den Auftrag für die Planung des etwa 30 Millionen Euro teuren Projekts zu geben. Die Wohngebäude bekommen ein zusätzliches Stockwerk und sollen 35 Prozent mehr Wohnraum haben. Die neuen Mieten würden 100 bis 200 Prozent über den alten Mieten liegen. 2006 soll der erste Bauabschnitt beginnen: der Abriss des „Südhofs“, dem nach etwa zehn oder 15 Jahren der Abriss des „Nordhofs“ folgen soll. Die Mieter des Südhofs sollen laut dem Bewohner-Sprecher Helmut Eder mit „massiven Drohungen“ zum Auszug genötigt werden. Der Verein für Volkswohnungen hatte zu der Zeit 1521 Wohnungen in München und will die Bewohner der Andrée- und Renatastraße in den Neubau oder in andere Objekte umsiedeln.
Zur Begründung des VfV mit dem angeblich schlechten Zustand und veralteten Grundrissen äußerte Hans Kuttenberger, der seit über 50 Jahre dort wohnte: „Da müsste man halb München abreißen.“7
Auf den Fotos in den Münchner Tageszeitungen sehen die Häuser in der Andrée- und Renatastraße absolut intakt und architektonisch interessant aus: Zeitzeugen eben, die in jedem Fall zu sanieren gewesen wären. Ich weiß, wovon ich spreche: Ich erhalte seit den siebziger Jahren unser altes Firmengelände in der Frohschammerstraße 14 in Milbertshofen.
Zum Abriss intakter Bausubstanz: Hier sei wieder an das Buch von Daniel Fuhrhop erinnert: Verbietet das Bauen! Am unökologischsten ist der Abriss von intakten Gebäuden: Und die Bauwirtschaft verbraucht etwa 30 Prozent der deutschlandweit verbrauchten Energie und produziert etwa 60 Prozent des deutschen Abfallvolumens.

Sendling: Nächster Abriss befürchtet. Der Verein für Volkswohnungen besitzt eine Wohnanlage in Sendling: Fallstraße 38 (Baujahr 1911). Zechstraße 2, 2a, 4, 6, 6a, 8, 10, 10a (Baujahr 1911). Es handelt sich um 152 Wohnungen mit vier Gewerbeeinheiten, zwei Garagen und 8.271 qm Gesamtfläche. Die Fallstraße 38 soll zum Teil abgerissen und neu gebaut werden. Die Bewohner haben sich für den Erhalt des Gebäudes ausgesprochen und befürchten durch den Neubau höhere Mieten. Sie haben sich an den Bezirksausschuss Sendling um Hilfe gewandt. Da das Gebäude nicht unter Denkmalschutz steht, sei gegen den Teilabriss nichts zu machen, erklärten BA-Mitglieder. Die LBK habe dem Teilabriss zugestimmt. Die Pläne des VfV seien ohne Mitsprache der Genossenschaftler entschieden worden, so ein Zeuge. Das Plenum des Sendlinger BA sprach sich dafür aus, die Erhaltung der älteren Abschnitte erneut zu prüfen und den preiswerten Wohnraum zu erhalten.8

  1. Habit, Stefan, Letzte Hoffnung Genossenschaft, in SZ 4.5.2002 []
  2. Schmidt, Wally, Genossen versprechen sozialverträgliche Lösung, in SZ 19.9.2002 []
  3. Schmidt, Wally, Nachbarn fürchten um ihre Wohnqualität, in SZ 11.11.2002 []
  4. Angst vor der Mietenexplosion, in SZ 3.7.2003 []
  5. Wohnungsabbruch bleibt umstritten, in SZ 21.8.2003 []
  6. Kastner, Bernd, Der Feind auf meinem Flur, in SZ 21.5.2004 []
  7. Schmidt, Wally, 500 Menschen sind zum Umzug gezwungen, in SZ 10.5.2005 []
  8. Offinger, Tom, Münchner Altbau-Wohnhaus soll abgerissen und neu gebaut werden – Bewohner befürchten Mietpreis-Explosion, in merkur.de 9.9.2022 []
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